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Animierende Strip-Tänzerinnen gehören im Petersburger Nachtleben zum guten Ton (Foto: archiv/rufo) | |
Samstag, 04.08.2007
Klub-Tour: Stripperinnen, Huren - und Karohemden
St. Peterburg. Ein Mittwochabend mitten im Winter – was kann man da unternehmen? Wir entscheiden uns für einen kleinen Klubrundgang. Kommen Sie doch einfach mit – in den „Marstall“, das „Rossi“ und den „Gribojedow“.
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Unser erstes Ziel ist der “Marstall“ gleich gegenüber der Blutskirche am Gribojedow-Kanal. Ausländer haben hier seit Jahren freien Eintritt; eine Passkopie oder völlig lächerliches Russisch sind Beleg genug für fremdländische Herkunft.
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Einmal drin, wird schnell klar, warum man Westler hier gerne sieht: Der Laden wimmelt nur so von Mädels, die hier nach einem Ausländer zwecks Heirat und Ausreise Ausschau halten – sowie an Prostituierten, die Schampus trinkend zahlungskräftiger Kundschaft harren. Es ist nicht viel los an einem Wochentag wie diesem. Popmusik beschallt die kleine, von schwitzenden Businessmen und ihren Begleiterinnen mäßig bevölkerte Tanzfläche.
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„Marstall“: Gutes Essen und attraktive Stripperinnen
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Adresse |
Nab. kan. Gribojedowa 5 Metro: Gostiny Dwor/Newski Prospekt
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Immerhin: Pils gibt es für zwei Euro, das Essen ist gut und die Stripperinnen attraktiv. Und man hat Gelegenheit, deutsche Endzwanziger zu beobachten, die ihren Dipl.-Ing. zwar schon in der Tasche, den ersten Kuss aber noch vor sich haben. Schüchtern stehen sie da, in ihren karierten Hemden, und schaffen es, die Taschen voller Geld, in diesem besseren Bordell keine Frau abzukriegen.
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Aber vielleicht streben sie auch nur einem romantischen Ideal jenseits der Mechatronik nach und sehen es in einer mürrischen Hure mit Mundgeruch nicht erfüllt. Jenseits solch tief schürfender Betrachtungen wird es Zeit, dem “Marstall“ und seinen mehr oder weniger liebreizenden Füllen den Rücken zu kehren. Schlechte Musik und schmierige Atmosphäre - wir streben nach Höherem!
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Auf der Suche nach höherem Niveau
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Nur gute zehn Minuten Fußmarsch trennen uns vom “Rossi“. Mühelos lassen wir die toleranten Türsteher hinter uns und betreten den palastartigen Bau. Der Eintritt ist, wie in vielen besseren russischen Lokalitäten, mit acht Euro eher teuer, die Getränke dafür günstig.
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Von einem bequemen Sitz an der großen Bar aus lassen wir unseren Blick schweifen und sind angetan: Fröhliche, durchschnittlich bis gut betuchte Russen tummeln sich auf der lang gestreckten, von seichter elektronischer Musik beschallten Tanzfläche. Zwar verbreitet eine Vielzahl an Tischen etwas Restaurantatmosphäre, doch auch das gehört in hiesigen Klubs zum Standard.
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“Rossi“: große Bar und ein politischer Spätschoppen zum Kaukasus
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Adresse |
Rossi: Ul. Rossi 1\\3 Metro: Gostiny Dwor
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An der Bar kommen wir schnell mit Sascha ins Gespräch. Sascha ist Geschäftsmann aus dem Nordkaukasus und sehr darauf bedacht, uns die dortige politische Lage zu erläutern: „Krisenregion - wenn ich das schon höre!“
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Nach einer circa 20-minütigen, von weit ausgreifenden Gesten begleiteten Tirade räumen wir ein, dass dort unten eigentlich alles in Ordnung ist. Man muss schon ein bösartiger Westjournalist mit CIA-Verbindungen sein, um etwas anderes zu behaupten.
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Russen können sehr überzeugend sein, besonders wenn sie uns körperlich überlegen und ganz in schwarz gekleidet sind. Sascha verabschiedet sich, indem er uns einen Cognac spendiert: „Ihr Deutschen sauft zuviel Bier, das macht fett!“ Nachdenklich schauen wir zu, wie er seine schätzungsweise 95 Kilo geschickt Richtung Ausgang manövriert.
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Wir tun es ihm bald nach, denn auch das “Rossi“ kann an diesem Mittwoch nicht restlos überzeugen: zu eher banaler Musik rekeln sich Stripperinnen in neongrünen Strapsen und erinnern ungut an deutsche Erotikfilme der 80er Jahre. Im Übrigen hat Sascha uns mit Kennerblick erläutert, dass mindestens die Hälfte der Frauen auf der Tanzfläche käuflich ist. Also auf in den nächsten Laden, auf ins “Gribojedow“!
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“Gribojedow“: verraucht und heiß – ganz wie man es mag
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Adresse |
Woroneshskaja Ul. 2a Metro: Ligowski Prospekt
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Wir nehmen ein Taxi und stehen nach kurzer Zeit vor einem der ältesten Klubs Petersburgs. Kürzlich feierte man zehnjähriges Jubiläum, ganz ungewöhnlich in der hiesigen Szene.
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Auch hier liegt der Eintritt bei acht Euro und auch hier kommt man zur Not im Schlafanzug an den Türstehern vorbei. Die große Mehrheit männlicher Russen verweigert sich stilvoller Kleidung mit einer Totalität, die man in Deutschland nur aus Kreiswehrersatzämtern kennt.
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Eine enge Treppe führt hinunter in ein Kellergewölbe, dass bei manchem Beklemmungen, bei manchem selige Erinnerungen an ähnliche Lokalitäten in der Heimat hervorrufen dürfte. Es gibt keine Tische rund um die überfüllte Tanzfläche. Es ist verraucht und heiß. Es ist nüchtern schwer auszuhalten. Es ist tatsächlich ein Klub!
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Das “Gribojedow“ ist vor allem für seine Liveshows bekannt. Doch auch ein ganz normaler Disko-Abend, wie an diesem Mittwoch, weiß zu gefallen. Das Publikum ist sehr gemischt, die Musik schwankt zwischen 60er Kitsch und Hip Pop. Vor allem aber hat der Laden eine ursprüngliche Atmosphäre fernab von Chrom und schwarzen Anzügen.
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Ein „Rossi“ oder „Marstall“ findet man in jeder größeren osteuropäischen Stadt - ein Gribojedow sicher nicht. Das einzige Problem besteht darin, nach geraumer Zeit und diversen Alkoholika die steile Treppe wieder raufzukommen. Aber daran denken wir jetzt noch nicht – wir haben unseren Platz für diesen Mittwochabend gefunden. (Roman Kropp/SPZ)
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