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Darf man so was? Den Bau der herausragenden "neuen Börse" erkannte Mawijenko selbst als städtebaulichen Fehler an - und ließ einige Etagen abtragen (Foto: fontanka.ru) | |
Donnerstag, 27.01.2011
Matwijenko will St. Petersburg ent-denkmalschützen
St. Petersburg. Der Smolny setzt sich dafür ein, der Stadt den Status einer „historischen Siedlung“ zu entziehen – weil er ein Investitionshindernis sei. Jedes Städtebau-Projekt muss nun in Moskau genehmigt werden.
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Das Scheitern des von ihr mitpropagierten Gazprom-Turm-Projektes „Ochta Center“ hat die Petersburger Stadtregierung offenbar noch nicht verdaut. Jedenfalls kämpft der Smolny auch nach dem Kippen des 400 Meter hohen Bürobaus weiter gegen denkmalschützerische Auflagen, die große Bauprojekte in der Newa-Stadt verhindern können.
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Der Staat hütet nun Petersburg als Flächendenkmal In einem Brief an Premierminister Wladimir Putin bat das Stadtoberhaupt Valentina Matwijenko jetzt darum, St. Petersburg den erst im Juli 2010 zugesprochenen Rang einer „historischen Siedlung“ wieder abzuerkennen. Neben der alten Zaren-Hauptstadt hatten diesen Status damals etwa 40 Städte mit einem hohen Anteil an historischen Bauten erhalten – vor allem gehören dazu die Städtchen des „Goldenen Ringes“, aber auch die alte Handelsstadt Irkutsk, das „Paris Sibiriens“.
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In diesen Orten stehen nun nicht nur einzelne Baudenkmäler, sondern das ganze Stadtbild unter besonderem Schutz: Bei städtebaulichen Projekten und Planungen – etwa der Bebauung von Freiflächen oder Landschaftseingriffen – und Baureglementänderungen müssen diese Kommunen nun eine Genehmigung von der föderalen Denkmalschutzbehörde RosOchranKultura einholen.
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Auch Betonwüsten und Plattenbau-Areale betroffen Nach Darstellung der Petersburger Stadtverwaltung ist das absurd, denn diese Auflage gilt für das ganze Stadtgebiet - wobei nur ein Viertel des Territoriums Petersburgs vom ohnehin denkmalgeschützten historischen Stadtzentrum eingenommen wird. „Wenn am Stadtrand eine Brachfläche bebaut werden soll, bedeutet das ja eine Verschiebung des Verhältnisses von Freiflächen und bebauten Flächen“, kritisiert Vizegouverneur Igor Metelski.
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Petersburg "historisch" - Nowgorod aber nicht Bei jedem Bauprojekt müssten nun dicke Dokumentationen erstellt und nach Moskau geschickt werden – wobei gar nicht klar sei, wer diese in welchen Fristen dann eigentlich prüfen werde. Zudem seien weder Moskau, noch Pskow oder Nowgorod mit ihren alten Kreml-Festungen mit diesem Status bedacht worden, kritisierte Matwijenko in ihrem Schreiben an Putin.
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Bei der Moskauer zentralen Denkmalschutzbehörde sieht man das allerdings anders: Man habe nur vor, die von den lokalen Denkmalschutzämtern aufgrund der bestehenden Auflagen schon abgesegneten Dokumente nochmals zu prüfen – irgendwelche Neubaugebiete blieben also außen vor.
Der Abriss von alten Häusern am Newski Prospekt, die Verschandelung durch große Werbeflächen – oder auch das Abenteuer mit dem Gazprom-Turm – hätten auf diese Weise aber durchaus verhindert werden können, so der zuständige Abteilungsleiter Andrej Nikoforow.
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Unabhängige Kultur-Aufseher auf föderaler Ebene Denn eines ist klar: Die beamteten Denkmalschützer vor Ort sind auch nur Menschen – und eventuell bei ihren Expertisen einem gewaltigen Druck von Vorgesetzten, Investoren und sonstigen interessierten Kreisen ausgesetzt. Etwas unabhängige Oberaufsicht kann also nicht schaden – vorausgesetzt, der bürokratische Ablauf ist flüssig und nicht durch Absurditäten belastet.
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Moskau, Pskow und Nowgorod blieben bei der Regelung im übrigen außen vor, weil trotz ihrer uralten Kerne weniger als 55 Prozent des Gebäudebestands als "historisch" einzustufen sind.
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